Escape the Matrix - Warum Klimaschutz glücklich macht

Escape the Matrix – Warum Klimaschutz glücklich macht

„Flight traveling for nature is like bombing for peace!“ So könnte es in Anlehnung an den Spruch aus unschuldigen Anfangszeiten der Friedensbewegung lauten. Und ebenso wie manche Gewalt-affine Antifaschisten pervertieren auch immer mehr Umweltschützer ihre Anliegen in’s Gegenteil.

Es scheint ja derzeit unter Bobos äußerst beliebt zu sein, Filme über den Klimawandel zu machen. Und das wäre eigentlich auch eine gute Sache. Schließlich steht das Wohl der Menschheit an der Kippe. Die Auswirkungen des Klimawandels sind überall zu sehen. Und Flugreisen sind der verschwenderischte und ungerechteste Aspekt dieses Themas. Nur drei Prozent der Weltbevölkerung fliegt jährlich oder öfter und zerstört damit die Lebensgrundlage auch für alle anderen. Die versteckten Kosten sind immens (siehe Aufstellung der Heinrich-Böll-Stiftung nebenan). Jeder einzelne Langstreckenflug zerstört fünf Quadratmeter Arktiseis pro Person. Warum verändert all dies nur nichts an unserem Verhalten? Der Welterschöpfungstag wandert unbeirrt den Kalender empor. Dies liegt nur zu einem Teil daran, daß Flugverkehr jährlich mit vielen Milliarden subventioniert wird. Oder daß Kerosin als einziger Treibstoff weltweit von der Steuer befreit ist. Es hilft nichts, nur über korrupte Politiker zu schimpfen. Vielleicht sollten wir selbst nicht in alten destruktiven Verhaltensmustern verharren und die Verantwortung nur bei anderen suchen sondern zuerst bei uns selber beginnen. Vielleicht ist es Zeit, nicht nur von der roten Pille zu träumen sondern tatsächlich aus der Matrix zu steigen.

Gute Ausreden für schlechtes Handeln

In all diesen Dokus über den Klimawandel könnten so einfach die Vorteile unserer vernetzen Welt genutzt werden. In Kooperation mit Filmemachern auf anderen Kontinenten, die vor Ort wahrscheinlich auch viel mehr Expertise haben, ließen sich ehrlich vorbildliche Dokumentationen machen. Denn diese würden nicht nur das Problem beleuchten sondern auch schon in der Art der Herstellung Lösungen zeigen.
Stattdessen wird nur eifrig der Reisesucht gefrönt und sich selber dabei auch noch ein gutes Gewissen eingeredet. Die Selbstreflexion reicht leider nicht mal so weit um auch nur anzusprechen, daß bei der Herstellung eines dieser Filme ein globaler Fußabdruck erzeugt wurde, der für die meisten Erdenbewohner im ganzen Leben nie erreicht wird.

Und dieses Greenwashing der eigenen Sucht ist nicht nur ein teures Privatvergnügen. Immer öfter wird mit Steuergeld & Fernsehgebühren eine wohl auch gut gemeinte Propaganda finanziert, die aber dennoch durch die konventionelle, Ressourcen-verschwendende Produktion den Klimawandel verstärkt. Und allzu oft werden darin nur alte Feindbilder geschürt, damit wir uns nicht selber ändern müssen.
So wird in einer Dokumentation über „die geheimen Machenschaften der Ölindustrie“ mehrere male von einem Ende der USA ans andere geflogen, als gäbe es keine andere Art des Reisens, und als könnten wir keinem Amerikaner sondern nur einem deutschen Journalisten glauben, ob in Alaska tatsächlich die Bohrinsel steht, deren Existenz gar niemand bestreitet. Und immer wieder wird Mantra-artig wiederholt, was bereits unsere Großeltern sagten:

„Wir haben von nichts gewußt!“

Die Tendenz zur Beteuerung der Unvorhersehbarkeit ist beim Klimawahnsinn ebenso wie beim Flüchtlingsdebakel oder beim Terrorismus lächerlich naiv aber auch gefährlich lähmend. Allen zukünftigen Generationen sei versichert: Der Klimawandel ist nichts, was uns irgendeine Ölindustrie verschwiegen hat. Schon in meiner Jugend war für uns alle offensichtlich, daß die explosionsartige Steigerung des Energieverbrauchs zu einer Klimaerwärmung und sonstigen Umweltschäden führen wird. Seit dem Club of Rome wurde das auch von führenden Wissenschaftlern aus allen Teilen der Welt immer wieder bestätigt. Tatsächlich steuern wir also schon seit Jahrzehnten wohl informiert und dennoch ungebremst auf den Abgrund zu. Und ohne die abscheulichen Verbrechen der Nazis verharmlosen zu wollen, ist auch in den nachfolgenden Generationen seither allen klar: Ausnahmslos jede und jeder von uns hat im Laufe unseres Lebens genauso viele vermeidbare Tote wegen Dürrekatastrophen, Grundwasservergiftung, Landgrabbing usw. durch unseren persönlichen Lebenswandel mitzuverantworten.

Wir selber müssen uns der Gewissensentscheidung stellen, ob wir die rote oder die blaue Pille schlucken. Wollen wir am Ende unseres Lebens sagen können, daß wir ehrlich alles getan haben, um uns selber nicht an diesem Massaker zu beteiligen? Wir haben die Wahl zwischen Verdrängung oder Veränderung.

Die Welt sehen und …

Die Unart unter Dokumentarfilmern, das zu zerstören, was festgehalten werden soll, ist nicht neu. Sie spiegelt aber auch einen beängstigenden gesellschaftlichen Trend wieder. Obwohl die fatalen Folgen unserer Energie-Verschwendung – und insbesondere die von Flugreisen – immer offensichtlicher werden, steigt die Zahl an Reisenden unaufhaltsam. Wollen alle ganz egoistisch das Great Barrier Reef noch durch die Plexiglasscheibe einer Taucherbrille statt nur im Fernsehen gesehen haben, auch wenn es gerade dadurch für zukünftige Generationen nur noch Geschichte sein wird? Wollen alle noch ihren eigenen Fußabdruck ins vermeintlich ewige Eis des Himalaja setzen und so der Ewigkeit ein Ende setzen? Schmeckt der Kaffee bei einem Kurztrip in irgendeine andere Stadt wirklich so viel besser als in einem bisher unbekannten Grätzel gleich ums Eck oder genau meiner Vorliebe und Stimmung entsprechend selbstgemacht? Sind wir tatsächlich bereit, die Welt zu zerstören, nur um sie gesehen zu haben?

Wanderlust ist so sehr Teil unserer Kultur, daß dieses Wort sogar Einzug in andere Sprachen gefunden hat. Und für einen Tischler-Gesellen vor dreihundert Jahren war es natürlich auch wichtig, einmal aus seinem Dorf oder gar aus dem engen Tal raus zu kommen. Nur so konnte er sehen, wie andere Tischler arbeiten. Inzwischen gibt es schon lange niemanden mehr, der nur einen Lehrmeister hat. Seit es Berufsschulen, Studentenaustausch, Flüchtlinge, Bibliotheken, Fernsehen und das Internet gibt, sind unsere Möglichkeiten, den Horizont zu erweitern, immens gewachsen. Mehr als den meisten lieb ist.

So bleibt ein Großteil der Reisenden auch in den All-Inklusive-Clubs, Kreuzfahrtschiffen, Youth-Hostels oder AirBnB-Wohnungen unter sich. Und zuhause wollen sie auch nicht gerade die Leute in der Nachbarschaft, die sie bei ihren zerstörerischen Fernreisen so gerne besichtigen. Warum finden wir alles so viel interessanter, wenn es weit weg ist?
Wenn wir wirklich die Welt kennenlernen wollen, müssen wir uns wohl Zeit dafür nehmen. So wie das sympathische Paar im Film „Weit. Die Geschichte von einem Weg um die Welt.„.

Sieh, das Gute liegt so nah.

Goethe hat in seinem Leben eine einzige Reise nach Italien gemacht. Nach drei abgebrochenen Anläufen hat er sich dafür fast zwei Jahre Zeit genommen und dabei wichtige Erkenntnisse für sein künstlerisches Schaffen gewonnen. War unsere letzte Flugreise auch so eine Zäsur in unserem Leben? Und die davor? Und davor?
Was haben wir ganz ehrlich tatsächlich Grundlegendes bei unseren vielen Reisen gelernt? Reicht dazu nicht manchmal eine freundliche Reise zum Nachbarn nebenan oder in das nächstgelegene Flüchtlingsheim? Warum nicht eine mutige Reise in unsere eigenen Abgründe?

Wollen wir vielleicht gar nichts lernen sondern flüchten nur vor irgendwas? Suchen wir im Außen was uns innerlich fehlt? Versuchen wir uns mit dem Konsum von Erlebnissen dafür zu entschädigen, daß wir im Alltag viel zu wenig auf unsere Bedürfnisse, Wünsche, Träume oder auch Gewissensbisse achten? Versuchen wir unser langweiliges Leben interessant zu machen mit Selfies und Postings von Trips, die inzwischen eigentlich eh schon alle machen?
Aber wenn es alle machen, kann es ja auch nicht so schlimm sein, oder? Dazu zwei meiner Lieblings-Klosprüche: „Freßt Scheiße! Tausende Ameisen können nicht irren!“ Und: „Das machen alle, sagen alle, die allen alles nachmachen.“ Ja, nur weil die Menschen in meinem Umfeld (global sind sie sowieso eine Minderheit) die Welt zerstören, muß ich das nicht auch machen.
Leider flüchten die meisten jedoch lieber in noch mehr vom selben.

Doch Verdrängung kostet nur immer mehr Energie. Die blaue statt der roten Pille macht in Wirklichkeit nicht auf Dauer glücklich, weil uns keine künstlich-intelligente Maschinen-Armee die Träume versüßt, wie in diesem tollen Film der Wachowskis. (Auch wenn beängstigend viele von uns durch Outsourcing von Intelligenz diesem Zustand entgegen streben.) Im realen Leben liegen wir nicht an Schläuche geschlossen in Glas-Kokons, während wir in vollkommen unrealistische Träume flüchten, sondern fiebern wie Junkies in der Gosse dem Tod entgegen.
Tatsächlich ist Konsumsucht – egal ob Kaufsucht oder Reisesucht – eine schwere Krankheit. Trotz vermehrter Nachteile muß sich das krankhafte Kaufen von Dingen oder Erlebnissen immer mehr steigern. So zerstört sie nicht nur uns sondern offensichtlich die ganze Welt.

Die gemütliche Unausweichlichkeit des Weltuntergangs

„Die Natur ist ohne den Menschen besser dran.“ „Es ist eh schon lange zu spät.“ „Die Menschheit ist ein Tumor, der ausgemerzt werden muß.“ Diese und ähnliche Aussagen lassen uns gemütlich im Massagesessel zurücklehnen, die Klimaanlage auf höchster Stufe, mit Gentechnik-Popcorn das Übergewicht pflegend, am Riesen-Flatscreen vom Leben am Mars träumen. Dabei verwüsten wir die Erde immer mehr – so als wollten wir hier den Mars erschaffen.

Nicht nur die Nasa lebt gut von unserem Eskapismus. Und um auf Nummer sicher zu gehen, erklärt sie auch, „warum uns der technologische Fortschritt nicht retten wird“. Dabei haben die Forscher recht, daß der Rebound-Effekt ohne Therapie der Sucht immer zu einer Dosis-Steigerung führt. Die Lüge von der sauberen Energie ist nur Propaganda. Es gibt nur mehr oder weniger dreckige Energie. Selbstverständlich ist es wichtig, die am wenigsten schädlichen Energiequellen zu fördern, also eigentlich nur langfristige Kostenwahrheit herzustellen (wovon wir Lichtjahre entfernt sind). Der einzige wirkliche Ausweg kann jedoch nur sein, wenn wir die unnötige Verschwendung drastisch reduzieren.

Which side are you on?

Bei all den sarkastischen Selbst-Vergleichen mit Römern, Maya und Krebszellen vergessen wir gerne: Dies betraf immer nur eine kleine Minderheit. Und diesmal sind wir diese schmarotzende Elite. Und wir verdrängen hinter Rauchschwaden aus Kerosin und Schweröl, daß wir selber entscheiden, ob wir Teil dieser aussterbenden Lebensform sein wollen. Glücklicherweise können wir jedoch auch Teil einer anderen Lebensform sein, die nur bei uns undenkbar aber global gar nicht so selten ist. Ja, auch wenn wir es uns gar nicht mehr vorstellen können: Es sind mit über 90% Prozent der Weltbevölkerung sogar die allermeisten, die ohne Sucht nach immer mehr Flugreisen oder sonstigem unnötigen Konsum echt nachhaltig, ehrlich sozial und (wenn wir bzw. unsere Vertreter ihnen nicht alles wegnehmen) auch gar nicht so unglücklich leben.

Denn ein Mythos sei noch richtiggestellt: Wenn wir unser zerstörerisches Leben als Konsum-Junkies aufgeben, bedeutet dies kein Höhlen-Leben wie in der Steinzeit. Wir müssen unseren global Footprint nicht auf Null drehen. Wir haben weiterhin die Kapazitäten einer Erde, die wir gerecht und nachhaltig aufteilen können. Wir haben die Energie einer Sonne, mit denen wir alle technischen Hilfsmittel dauerhaft nutzen können, ohne jährlich neue zu kaufen. Die Hälfte der weltweiten Produktivität wird alle Wirtschafts- oder Klimakrisen überstehen, weil sie subsistenzwirtschaftlich und damit ehrlich nachhaltig ist. Und auch die andere Hälfte wird weiterhin existieren, nachdem sie sich gesund geschrumpft hat. Forschung wird vielleicht noch mehr zum Wohle des Menschen sein, wenn sie wieder staatlich also im Auftrag aller Menschen betrieben wird. Der Abschied vom Diktat des Kommerz ist nicht das Ende der Welt.

Vom Glück der Freiheit

Ich persönlich bin nie viel geflogen und habe dennoch in vielen sehr unterschiedlichen Welten gelebt. Als Kind gab’s unvergesslich erlebnisreiche Urlaube in Österreich oder an der Adria. Meine Jugend verbrachte ich mit lehrreichen Praktika statt Reisen. Als junger Erwachsener hatte ich einige Flüge in den Mittelmeerraum, die ich zum Schreiben und Eintauchen in fremde Kulturen nutzte. Aber schon davor hatte ich in meiner Heimatstadt verschiedenste Lebensweisen mitgelebt. Mein bester Freund in der Volksschule war ein Türke, der kaum Deutsch sprach. In der Hauptschule schob ich ständig einen Rollstuhl. Ich diskutierte nächtelang mit Angehörigen verschiedenster Glaubensrichtungen und Denkweisen und wollte es vor allem auch nicht beim Reden belassen. Ich half tatkräftig in Umweltschutz- und Flüchtlingsprojekten mit. Ich war Arbeiterkind, Bauer, Erfinder & Entdecker, Künstler, Therapeut und vieles mehr. Ich hörte Klassik ebenso wie Jazz oder Punkrock, besetzte Häuser und half alten Leuten.

Schon im Religionsunterricht hatte ich gelernt, daß mir in jedem einzelnen Menschen Gott begegnet. Das nahm ich ernst, interessierte mich (trotz meiner Schüchternheit) für jede Person, die z.B. in einer Warteschlange hinter mir stand, oder mich auf der Straße beschimpfte und entdeckte das, was Patrick Süskind schreibt: „Ich kenne Menschen, in denen steckt ein ganzes Universum, unermesslich.“ Und anders als „Der Kontrabaß“ lernte ich auch, es herauszubekommen. Schon als ich zwanzig war, meinten viele Leute zu mir, ich hätte mehr erlebt als die meisten in ihrem ganzen Leben.
So ging ich weiter lieber auf Entdeckungsreisen in die Abgründe der Seele, beherbergte unzählige unterschiedlichste Gäste, arbeitete mit Mißbrauchsopfern & Tätern, verbrachte meine Urlaube mit Low-Budget-Filmproduktionen aus dem Iran, Indonesien und unzähligen anderen Ländern und lernte bei diesen Weltreisen um Kopf die echten Menschen viel besser kennen als auf umweltschädlichen, nur Klischees inszenierenden,  kommerziellen Reiseveranstaltungen.

Inzwischen bin ich seit über zehn Jahren nicht mehr geflogen. Am liebsten lerne ich meine Umwelt sinnlich zu Fuß oder sportlich mit dem Fahrrad kennen. Ein paarmal pro Jahr fahre ich mit einem Freund oder einem geborgten Auto, um ein Haus für die Selbermacherei zu suchen.
Und je weniger Geld ich brauche, umso mehr Zeit habe ich für echte, originelle Erlebnisse.

Sich von einer Sucht zu befreien, macht auf Dauer immer viel glücklicher. Es befreit tatsächlich von Zwängen und erweitert den Handlungsspielraum.
Zwei von fünf Büroangestellten finden ihre Arbeit sinnlos. Doch wenn wir uns nicht mehr den ganzen Tag mit Bullshit-Jobs abquälen, nur um uns dann mit vergänglichen Reisen oder sonstigem unnötigen Zeug dafür zu entschädigen, finden wir wieder Zeit dafür, was uns wirklich wichtig ist. Wir können uns wieder mehr Tätigkeiten zuwenden, mit denen wir uns identifizieren können, und damit gleichzeitig ganz viel Geld sparen.

Dazu müssen wir nur umdenken, vielleicht sogar subsistenzwirtschaftlich handeln.
Bei einem Besuch im freeganen Cafe Hoog kann ganz praktisch erlebt werden, wie angenehm, abwechslungsreich und köstlich ein Leben mit weniger als einem Zehntel des Durchschnittsverbrauchs ist. Abseits der so oft in Medien beworbenen aber doch sehr kurzlebigen, unausgegorenen (und meist auch nur kommerziellen) Projekte wird hier seit über zehn Jahren konsequent ein ethisch und ästhetisch schönes Leben genossen.
Und wer noch mehr Möglichkeiten entdecken will, wie Klimaschutz ehrlich betrieben werden kann, ist herzlich eingeladen, mitzumachen.