ich kaufe, also bin ich

„Wer möchte es nicht: das ultimative magische Objekt, das jung, schön, erfolgreich und begehrenswert macht? Ob dieses Zauberding nun in Gestalt eines Haarshampoos oder einer Leberstreichwurst in unseren Besitz kommt, ist nebensächlich. Und wie in der Liebe ist auch in der Werbung fast jedes Mittel recht.


Die geheimen Verführer

Bereits 1957 schrieb darum der der amerikanische Publizist Vance Packard „Die geheimen Verführer“. Seine These war: „Die Schönheitsmittel-Fabrikanten verkaufen nicht Lanolin, sie verkaufen Hoffnung. Wir kaufen nicht mehr Apfelsinen, wir kaufen Lebenskraft. Wir kaufen nicht bloß ein Auto, wir kaufen Ansehen.“

Packards Analyse: Auf der Jagd nach Gewinnmaximierung ist Werbestrategen jedes Mittel recht. Verkauft werden nicht Produkte, sondern Versprechen. Am wirkungsvollsten erweisen sich jene, deren Einlösung nicht überprüft werden kann: also: die Steigerung des individuellen Lebensgefühls und die Erfüllung eines persönlichen Glücks.

Es sind Versprechen, die auf die unbewussten, halb-bewussten oder gut verborgenen Wünsche eines Konsumenten abzielen.

Doch eine Wirtschaft, die sich in ihrer Leistung nicht ständig steigert, gilt heute als marod. Und in Zeiten der Rezession und Arbeitslosigkeit argumentieren Politiker aller Couleurs damit, die Kaufkraft der Konsumenten stärken zu wollen. Eine Konsumkritik per se ist nicht angesagt.

Inszenierte Warenwelten

Für den Kunsthistoriker und Medientheoretiker Wolfgang Ulrich von der Universität Karlsruhe ist die Konsumwelt ein Teil unserer Kommunikation geworden. Jedes Produkt erhält seine Geschichte. Mit einer Seife, der Zahnpasta und dem Duschgel wird auch ein Versprechen erworben. Der Name des Produkts, sein Design und die Verpackung suggerieren ein konkretes Lebensgefühl.

Die Wirkungsmacht der Produkte liegt darin, dass sie uns ständig begleiten. Sie werten unseren Alltag auf und ritualisieren unumgängliche Handlungen wie Zähneputzen oder Hände waschen.

Wolfgang Ulrich: „Ein gutes Produktdesign stimmt die unterschiedlichen Sinnesreize wie Farbe, Form, Geruch aufeinander ab. Damit lässt sich ein Versprechen überzeugend formulieren. Beim Konsumenten tritt durch die multisensorische Verstärkung ein Placebo Effekt ein: das Produkt wirkt.“

Identitätsbildend

Vance Packards Kritik greift heute aber zu kurz. „Wir werden nicht zum Konsum verführt, wir konsumieren freiwillig und gerne“, sagt der Philosoph Christian Neuhäuser von der Universität Luzern. “ Konsumieren ist wichtiger denn je“. Denn in den 1990er Jahren hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Unter dem Einfluss neoliberaler Wertvorstellungen wurde Konsum zum Instrument der Selbstdarstellung. Wir entwerfen damit unsere Identität.

Produkte besitzen einen symbolischen Wert. Mit der ausgewählten Marke drücken die Konsumenten ihre Lebenseinstellung aus. Der Kauf von Bioprodukten signalisiert ein Interesse an nachhaltigem Wirtschaften. Maßkleidung drückt Exklusivität aus. Das Telefonat mit dem aktuellsten I-Phone verweist auf einen jugendlich dynamischen Lebensstil. Und im Lifestylerestaurant treffen sich Gleichgesinnte. Konsumieren ist zum Akt selbstbewusster Individuen geworden.

Für Christian Neuhäuser beinhaltet die Identität über Konsum ein großes Versprechen: „Die Chance auf Selbsterneuerung.“ Die scheinbar unbegrenzte Welt des Konsums verspricht, soziale Schranken zu durchbrechen und sich gesellschaftlich neu zu positionieren. Mit der Wahl eines Produktes zeigt der Käufer, zu wem er gehört und von wem er sich abgrenzt.

Doch spätestens der Blick auf den aktuellen Kontostand führt die Kauflustigen auf den Boden der Tatsachen zurück. Frustration und Resignation sind dann die Folge. Gefühle, die oft mit dem Kauf von Produkten kompensiert werden. Sind wir zu willenlosen Opfern gerissener Geschäftemacher geworden?

Konsum als politisches Statement

Christian Neuhäuser: „Wenn man beobachtet, mit welcher Macht uns die Werbung begegnet, ließe sich annehmen, dass wir alle versklavt sind. Doch dem ist nicht so. Die Menschen haben gelernt, mit sozialen Veränderungen kreativ umzugehen. Auch mit dem Konsum.“

Konsumenten haben eine ethische wie eine moralische Verantwortung, so Christian Neuhäuser. Und sie fordern immer öfter von den Produzenten auch verantwortliches Handeln ein. Viele betrachten ihr Konsumverhalten als politisches Statement. Mit dem Kauf von Fairtradeprodukten wollen sie menschengerechte Arbeitsbedingungen unterstützen, mit den Biokisterln die ökologische Landwirtschaft. Sie hoffen, dass sie es sind, die mit ihrer Wahl Trends setzen und Einfluss nehmen können.

Margarethe Engelhardt-Krajanek“

aus dem ö1- radiokolleg – leider nicht mehr verfügbar, oder?